Im Gespräch «Fokusthemen»

Steigende Zinsen und Energiepreise machen Immobilienunter­nehmen doppelt zu schaffen. Espace hat bereits im Vorfeld des Ukraine­­krieges einerseits durch langfristige Fremdfinanzierungen, andererseits durch die konsequente Umstellung auf Nachhaltigkeit ihrer Liegenschaften im Energiebereich für Sicherheit bei ihrer Mieter­schaft und im Unternehmen selbst gesorgt. Im Gespräch erläutern Dr. Andreas Hauswirth, Lars Egger und Christian Froelicher die aktuelle Situation auf dem Immobilienmarkt, erklären, warum das Unter­nehmen erstmals einen ausführlichen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht und bekräftigen, dass sie an der eingeschlagenen Strategie festhalten wollen.

 

Herr Hauswirth, Herr Egger, sind Investitionen in Immobilien im gegenwärtigen Umfeld überhaupt noch interessant und eine valable Alternative?

Andreas Hauswirth: Wenn man den schweizerischen Immobilienmarkt betrachtet, kann man das sicherlich bejahen. Die Schweiz hat ein sehr stabiles Rechtssystem und eine robuste, immer noch leicht wachsende Wirtschaft. Zudem haben wir eine qualitativ gute Zuwanderung. In diesem Umfeld sind Immobilien nach wie vor eine gute Anlagemöglichkeit.
Lars Egger: Das gilt insbesondere für Immobilien, die für zukünftige Herausforderungen gewappnet sind. Die auf Nachhaltigkeit, Flexibilität und Bezahlbarkeit ausgerichtet sind.

 

Sie haben beim Webcast 2022 eine systematische Überprüfung der Strategie angekündigt. Was sind deren Ergebnisse?

Andreas Hauswirth: Die langjährige Erfolgsgeschichte von Espace zeigt, dass wir die richtige Strategie verfolgen und deren Umsetzung stimmt. Deshalb hat die kürzliche Überprüfung unserer Strategie zu keiner grundsätzlich neuen Ausrichtung geführt, sondern nur zu einer gewissen Schärfung von spezifischen Themen, insbesondere bei der Digitalisierung und der Nachhaltigkeit. Daneben haben wir uns einmal mehr ambitioniertere finanzielle Ziele gesetzt, die wir in den nächsten Jahren erreichen wollen.

 

Espace hat 2021 und 2022 zwei Wohnüberbauungen in Zuchwil akquiriert. Ist das eine Folge der Unternehmensstrategie oder gibt es andere Gründe, die Sie zu diesem Schritt veranlasst haben?

Andreas Hauswirth: Akquisitionen waren immer ein Teil unserer Strategie. In den letzten drei Jahren haben wir uns primär darauf konzentriert, uns weiter operativ zu verbessern. Das ist uns auch sehr gut gelungen, sodass wir jetzt gerüstet sind, um sinnvolle Akquisitionen zu tätigen. Wir konnten diese beiden Akquisitionen mit insgesamt 168 Wohnungen in Zuchwil, in einem Marktumfeld, das wir sehr gut kennen, realisieren.

 

Wie schätzen Sie die Entwicklung des Aktienkurses von Espace im letzten Jahr ein, auch im Vergleich zu den Mitbewerbenden?

Andreas Hauswirth: 2022 war weltweit ein sehr schwieriges Jahr auf den Finanzmärkten, insbesondere an den Aktienbörsen. Das wirkte sich auch negativ auf den Kurs der Espace-Aktie aus. Wenn aber die Aktie von Espace mit den Aktien anderer Immobiliengesellschaften verglichen wird, auch mit denen von Immobilienfonds in der Schweiz, hat sie sich sehr gut gehalten. Wir verzeichneten 2022 inklusive der ausgeschütteten Dividende einen buchmässigen Verlust von nur rund 4 Prozent. Das ist ein sehr gutes Ergebnis.

 

Sie werden in diesem Geschäftsbericht zum ersten Mal einen separaten Nachhaltigkeitsbericht vorlegen. Welche Massnahmen hat Espace ergriffen, um innerhalb des Unternehmens für mehr Nachhaltigkeit zu sorgen?

Lars Egger: Wir verfolgen schon seit geraumer Zeit die strategische Stossrichtung, in nachhaltige Liegenschaften zu investieren. So werden wir dieses Jahr erstmals zwei Gebäude nach dem «Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz» (SNBS) zertifizieren. Wir verstehen Nachhaltigkeit möglichst umfassend, nicht nur im Bereich Energie, sondern auch in Bezug auf nachhaltige Vermietbarkeit und wie wir mit unseren Anspruchsgruppen zusammenarbeiten wollen. Mit dem Nachhaltigkeitsbericht möchten wir unseren Aktionärinnen und Aktionären transparent aufzeigen, was wir in diesem Bereich alles unternehmen. Und dass wir mit der kürzlichen Strategieüberprüfung unsere Anstrengungen noch einmal massiv verschärft und uns noch ambitioniertere Ziele für die Zukunft gesetzt haben.

 

Ein Teil der Strategie von Espace lautet: Sanieren statt eliminieren, das heisst, sanieren statt Abbruch und Neubau. Sie haben im vergangenen Jahr einige Sanierungsprojekte initiiert. Wie ist der Stand bei diesen Projekten?

Lars Egger: Wir haben im 2022 bereits zwei grössere Sanierungsprojekte mit 93 Wohnungen, die alle vermietet sind, erfolgreich umgesetzt. Aktuell sind wir an einem dritten grossen Projekt mit der Sanierung von 73 Wohnungen. Auch hier ist die Nachfrage bereits sehr gross. Die erste Etappe wird Mitte dieses Jahres abgeschlossen sein. Ein weiteres Sanierungsprojekt in Bern mit 78 Wohnungen ist in Planung und wird in den nächsten Jahren fertiggestellt sein. Sanieren statt eliminieren hat sehr gros­se Vorteile für uns, und auch für die Umwelt. Das zeigt sich jetzt auch bezüglich Baukosten. Sanierungsprojekte sind weniger anfällig für gestiegene Baukosten, da sie weniger Ressourcen wie Stahl und Beton binden. Das sind bekanntlich die grossen Treiber bei den Kosten. Sanierungen sind aber auch hinsichtlich Nachhaltigkeit bedeutend, weil man mit der vorhandenen Baumasse arbeitet und nicht zusätzliche Baustoffe mit hohem Anteil an grauer Energie verbaut. Und nicht zuletzt sind sie auch hinsichtlich Wirtschaftlichkeit interessant, weil wir immer versuchen, die Mieterschaft wenn möglich in den zu sanierenden Wohnungen zu belassen oder ihr innerhalb des Areals einen Umzug anzubieten. So haben wir immer eine Basis an Mieterträgen, die weiterlaufen.

 

Die Baukosten, Sie haben es bereits erwähnt, steigen stark an. Durchschnittlich gehen Sie von 10 Prozent aus. Was bedeutet dies für Neubauprojekte von Espace?

Lars Egger: Die Baukosten werden für uns eine Herausforderung bleiben. Wir achten darauf, bei Neubauprojekten eine möglichst grosse Kostensicherheit zu erlangen. Mit der Rückbesinnung auf bewährte Details und anerkannte Konstruktionsprinzipien erreichen wir, dass die Kosten möglichst tief gehalten werden können.

 

Wie wirkt sich das sich verändernde Zinsumfeld auf Espace aus?

Christian Froelicher: Die gestiegenen Zinsen haben grundsätzlich für jede Immobilienanlagegesellschaft und somit auch für Espace zwei wesentliche Auswirkungen: Die eine ist der Druck auf die Liegenschaftswerte, denn die Cashflows werden mittelfristig wohl zu einem höheren Zinssatz diskontiert, wodurch ein niedrigerer Barwert resultiert. Die andere Auswirkung betrifft die Fremdfinanzierungskosten. Espace hat in den letzten Jahren das Zinsänderungsrisiko auf der Zeitachse konsequent diversifiziert. Nur rund 5 Prozent unserer Finanzierungen sind derzeit unmittelbar von den steigenden Zinsen betroffen. Aber es ist klar, wenn das Zinsniveau nachhaltig hoch bleibt, werden künftige Finanzierungen auch entsprechend teurer und die Fremdfinanzierungskosten in den nächsten Jahren schrittweise ansteigen.

 

Was heisst das für das Jahr 2022? Wurden bei den Bewertungen Ihrer Immobilien Abstriche gemacht?

Christian Froelicher: Die guten Fundamentalwerte, insbesondere die intakte Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt, aber auch die Weitergabe der Teuerung bei indexierten Gewerbe-Mietverträgen, kompensieren gewissermassen den Effekt der steigenden Zinsen. Über das gesamte Immobilienportfolio von Espace betrachtet kann man sagen, dass die Zinssteigerungen im Jahr 2022 summa summarum noch keinen grösseren Einfluss hatten.

 

Die Refinanzierungskosten steigen. In gewissen Gebieten oder Segmenten steigt gleichzeitig auch die Nachfrage. Wie gestaltet sich die Mietzinspolitik von Espace in diesem Umfeld?

Christian Froelicher: Wir haben ein gut diversifiziertes Portfolio in den beiden Bereichen Wohnen und Gewerbe, jeweils hälftig, was die Mieteinnahmen betrifft. Im Bereich Wohnen ist die Nachfrage intakt. Es existiert mittlerweile schweizweit und entsprechend auch in unserem Anlagegebiet ein Vermietermarkt. Im Bereich Gewerbe haben wir zum Teil indexierte Mietverträge, die es uns erlauben, Preissteigerungen auf die Miete umzulegen.

 

Nicht nur die Refinanzierungskosten steigen, sondern auch die Energiepreise. Welche Auswirkungen haben die stark gestiegenen Preise auf die Mieterschaft von Espace?

Christian Froelicher: Espace hat schon mehrere Jahre, bevor sich die Energiekrise abgezeichnet hat, in ZEV¹)-Solaranlagen investiert. Für unsere Mieterschaft bedeutet dies, dass sie von tieferen Strompreisen profitiert. Andererseits wurden bereits viele unserer Liegenschaften an fossil­freie Fernwärmesysteme angeschlossen. Einem Grossteil der Mieterschaft von Espace bleiben damit signifikante Preissteigerungen im Energiebereich erspart. Für Espace führt dies daneben auch zu einem Wettbewerbsvorteil.

 

Bitte geben Sie uns noch einen Ausblick auf das Geschäftsjahr 2023. Rechnen Sie mit weiteren Turbulenzen oder eher mit einer Beruhigung auf dem Immobilienmarkt?

Lars Egger: Die Nachfrage nach Wohnraum ist weiterhin gross und wird durch die hohe Zuwanderung und die Verkleinerung der Haushalte zusätzlich gestützt. Entsprechend ist bei den Verkehrswerten zurzeit keine Trendwende bemerkbar.
Die Bewertungen von kommerziellen Liegenschaften werden sicherlich unter Druck kommen. Im Gegenzug können aber die Mieterträge erhöht werden, da im kommerziellen Bereich die Verträge vielfach an die Inflation gekoppelt sind. Ob sich solche Mietzinsanpassungen auch durchsetzen lassen, hängt auch davon ab, wie sich die Wirtschaft im laufenden Jahr entwickeln wird.

¹) ZEV: Zusammenschluss zum Eigenverbrauch